Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Zusammenfassend:

  • Die perfekte Passform ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer strategischen Denkweise, die schon beim Kauf beginnt.
  • Bewerte Kleidung nicht nur nach dem Preis, sondern nach ihrem „Änderungspotenzial“ und dem langfristigen Wert (Cost-per-Wear).
  • Eine präzise Kommunikation mit deiner Schneiderei, basierend auf Fachwissen, ist der Schlüssel zu zufriedenstellenden Ergebnissen.
  • Dein Körper ist nicht das Problem – die standardisierte Konfektionsgröße ist es. Lerne, Kleidung an dich anzupassen, nicht umgekehrt.

Kennst du das Gefühl? Du stehst in der Umkleidekabine, das Licht ist unvorteilhaft, und das Kleidungsstück, in das du dich auf dem Bügel verliebt hast, sitzt einfach nicht. Die Schultern sind zu breit, die Taille schlackert, die Hose ist zu lang. Der erste Impuls ist oft Frustration und Selbstzweifel. Viele Frauen greifen dann zur nächstgrößeren Größe, akzeptieren einen Kompromiss oder verlassen den Laden entmutigt. Sie glauben, ihr Körper entspreche nicht der Norm. Doch was wäre, wenn das Problem nicht bei dir liegt, sondern bei der Kleidung selbst?

Die Modeindustrie basiert auf Standardmaßen, die entwickelt wurden, um eine möglichst große Masse an Menschen „irgendwie“ einzukleiden, aber nur die wenigsten perfekt. Die üblichen Ratschläge – „Kaufe lieber eine Nummer größer“ oder „Das muss so locker sitzen“ – führen oft zu einer Garderobe voller Kompromisse, in der du dich nie zu 100 % wohl und selbstsicher fühlst. Diese Herangehensweise ignoriert das wahre Potenzial, das in fast jedem hochwertigen Konfektionsstück schlummert.

Die wahre Kunst der Eleganz liegt nicht darin, den perfekten Körper für die Kleidung zu haben, sondern die perfekte Kleidung für den eigenen Körper zu schaffen. Dieser Artikel bricht mit der passiven Akzeptanz von schlechten Passformen. Ich zeige dir, wie du eine strategische Einkäuferin und eine kompetente Auftraggeberin für deine Änderungsschneiderei wirst. Es geht darum, das Änderungspotenzial eines Kleidungsstücks schon in der Kabine zu erkennen und gezielt in ein maßgeschneidertes Unikat zu verwandeln. Du lernst, wann sich eine Änderung wirklich lohnt, wie du deine Wünsche präzise kommunizierst und worauf du schon beim Kauf achten musst, um Enttäuschungen zu vermeiden.

Dieser Leitfaden ist deine Ausbildung zur Passform-Expertin. Wir werden die Mythen um Konfektionsgrößen entlarven und dir die Werkzeuge an die Hand geben, um eine Garderobe aufzubauen, die nicht nur passt, sondern deine Persönlichkeit und deine individuelle Schönheit unterstreicht. Lass uns gemeinsam den Spieß umdrehen: Nicht du passt dich der Kleidung an, sondern die Kleidung passt sich dir an.

Warum Standard-Konfektionsgrößen nur bei 30% der Frauen wirklich passen?

Die Frustration in der Umkleidekabine ist keine persönliche Niederlage, sondern ein statistisch belegbares Systemversagen. Die Modeindustrie verwendet für die Herstellung von Konfektionskleidung standardisierte Maßtabellen, die auf Durchschnittswerten basieren. Das Problem dabei ist: Die „Durchschnittsfrau“ existiert in der Realität kaum. Jede Frau hat eine einzigartige Kombination aus Körpergröße, Proportionen, Armlänge, Schulterbreite und Oberweite. Ein System, das auf Vereinfachung ausgelegt ist, kann dieser Vielfalt per Definition nicht gerecht werden.

Die Konsequenzen sind messbar. Eine umfassende Reihenmessung der Hohenstein Institute hat gezeigt, dass die gängigen deutschen Konfektionsgrößen 32 bis 60 die Körpermaße von weniger als 33,1 % der Frauen adäquat abdecken. Das bedeutet im Umkehrschluss: Für rund zwei Drittel aller Frauen ist die Suche nach perfekt sitzender Kleidung von der Stange ein reines Glücksspiel. Entweder ist die Hose an der Taille zu weit, wenn sie an den Hüften passt, oder der Blazer spannt über der Brust, obwohl die Schultern perfekt sitzen.

Diese Diskrepanz entsteht, weil Konfektionsgrößen auf einem einzigen primären Maß basieren (z. B. dem Brustumfang bei Oberteilen) und alle anderen Maße proportional davon ableiten. Wenn deine individuellen Proportionen – zum Beispiel lange Arme bei einer schmalen Taille – von diesem Standard abweichen, ist eine schlechte Passform vorprogrammiert. Die Lösung liegt also nicht darin, deinen Körper in eine Norm zu zwingen, sondern darin, dieses System zu verstehen und es zu deinem Vorteil zu nutzen, indem du die Kunst der Änderungsschneiderei für dich entdeckst.

Die Erkenntnis, dass du nicht das Problem bist, sondern das System, ist der erste und wichtigste Schritt zu einer Garderobe, die wirklich zu dir passt und dein Selbstbewusstsein stärkt.

Wie du erkennst, welche Kleidungsstücke sich lohnen, ändern zu lassen?

Nicht jedes schlecht sitzende Kleidungsstück ist ein Kandidat für die Änderungsschneiderei. Die Entscheidung hängt von zwei entscheidenden Faktoren ab: der Material- und Verarbeitungsqualität sowie dem sogenannten Änderungspotenzial. Ein billig produziertes Fast-Fashion-Teil aus minderwertigem Stoff zu ändern, ist selten eine gute Investition. Die Kosten der Änderung übersteigen schnell den Wert des Stücks, und das Material hält der professionellen Bearbeitung oft nicht stand.

Ein lohnenswertes Stück erkennst du an der Substanz. Achte auf hochwertige Stoffe wie Wolle, Seide, Leinen oder dichte Baumwolle, die eine schöne Struktur und einen guten Fall haben. Untersuche die Nähte: Sind sie sauber und stabil verarbeitet? Ein qualitativ hochwertiges Kleidungsstück ist die Leinwand, auf der deine Schneiderin arbeiten kann. Die Änderung ist hier keine Reparatur, sondern eine Veredelung.

Detailaufnahme eines hochwertigen Wollmantels mit Kreidemarkierungen eines Schneiders, die das Änderungspotenzial visualisieren.

Der zweite, ebenso wichtige Aspekt ist die technische Machbarkeit. Nicht alle Änderungen sind gleich einfach oder überhaupt möglich. Hier sind einige rote Flaggen, auf die du achten solltest:

  • Komplexe Muster: Ein durchgehendes, kompliziertes Muster (z. B. ein großes Karo) macht Änderungen an den Nähten sehr schwierig, da das Muster wieder exakt aufeinandertreffen muss.
  • Verschweißte oder geklebte Nähte: Diese finden sich oft bei Funktionskleidung oder sehr günstigen Stücken und lassen sich nicht auftrennen und neu vernähen.
  • Aufgesetzte Taschen: Eine Taillen- oder Hüftänderung wird durch aufgesetzte Taschen, die versetzt werden müssten, erheblich erschwert und teurer.
  • Stark verzierte Ärmelenden: Knöpfe, Schlitze oder Stickereien begrenzen, wie stark ein Ärmel gekürzt werden kann, oft auf maximal einen Zentimeter.

Ein Kleidungsstück, das aus exzellentem Material gefertigt ist und an der richtigen Stelle (z. B. einfache Seiten- oder Taillennähte) zu viel Weite hat, ist ein idealer Kandidat. Du investierst hier nicht in die Korrektur eines Fehlers, sondern in die Personalisierung von Qualität.

Ändern lassen oder neu kaufen: Ab welchem Preis lohnt sich die Änderung?

Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer Änderung ist zentral. Viele schrecken vor den Kosten zurück, ohne den langfristigen Wert zu berücksichtigen. Eine einfache Faustregel greift hier zu kurz. Stattdessen solltest du das Cost-Per-Wear-Prinzip anwenden: die Gesamtkosten (Kaufpreis + Änderungskosten) geteilt durch die Anzahl, wie oft du das Kleidungsstück tragen wirst. Eine 50-Euro-Änderung, die eine hochwertige 200-Euro-Hose von einem „ganz okayen“ Stück zu deinem absoluten Lieblingsteil macht, das du jahrelang trägst, ist weitaus rentabler als ein weiterer 100-Euro-Fehlkauf, der im Schrank hängen bleibt.

Ein zentraler Punkt im Wert-Kalkül ist, dass eine perfekte Passform den wahrgenommenen Wert eines Kleidungsstücks exponentiell steigert. Ein gut sitzender Blazer für 150 Euro kann teurer und luxuriöser aussehen als ein schlecht sitzendes Designerstück für 800 Euro. Deine Investition in die Änderung ist also auch eine Investition in die Ausstrahlung und Langlebigkeit deiner gesamten Garderobe. Es wird argumentiert, dass eine 50€-Änderung ein 200€-Kleidungsstück rentabler machen kann als ein ungetragener Neukauf, weil es die Tragehäufigkeit maximiert.

Um dir eine konkrete Vorstellung zu geben, variieren die Preise für Änderungen in Deutschland je nach Region und Komplexität. In Metropolen wie München oder Hamburg sind die Kosten tendenziell höher als im ländlichen Raum. Die folgende Tabelle gibt dir einen realistischen Überblick über typische Preise:

Richtpreise für typische Änderungen in Deutschland
Änderungsart München/Hamburg Mittelgroße Stadt Ländlicher Raum
Hose kürzen 15-25€ 12-20€ 8-15€
Taille einnehmen 20-35€ 18-30€ 15-25€
Ärmel kürzen (Blazer/Mantel) 25-40€ 20-30€ 15-25€

Die entscheidende Frage ist nicht „Was kostet es?“, sondern „Was gewinne ich dadurch?“. Die Antwort ist oft: ein Lieblingsteil, das dein Selbstbewusstsein bei jedem Tragen stärkt.

Die 3 Kommunikationsfehler, die zu enttäuschenden Änderungsergebnissen führen

Selbst das größte Änderungspotenzial und die beste Schneiderin können zu einem enttäuschenden Ergebnis führen, wenn die Kommunikation nicht stimmt. Der vage Wunsch „Machen Sie es einfach passend“ ist eine Einladung für Missverständnisse. Um das zu bekommen, was du dir vorstellst, musst du zur präzisen Auftraggeberin werden. Hier sind die drei häufigsten Fehler und wie du sie vermeidest.

1. Vage und subjektive Anweisungen: Begriffe wie „schöner“, „etwas enger“ oder „moderner“ sind interpretierbar. Deine Schneiderin kann nicht hellsehen. Sei stattdessen spezifisch und quantitativ. Statt „die Hose ist zu weit“, sage: „Ich möchte die Taille um circa 3 cm enger haben, sodass sie ohne Gürtel auf der Hüfte sitzt, aber nicht einschneidet.“ Zeige mit deinen Händen genau, wo und wie eng es sein soll. Nutze Fachbegriffe wie „Abnäher“, um zu zeigen, wo du eine Formung wünschst.

2. Das falsche „Setup“ beim Abstecktermin: Das Ergebnis einer Änderung hängt massiv davon ab, was du beim Abstecktermin trägst. Der häufigste Fehler ist, die falschen Schuhe oder die falsche Unterwäsche zu tragen. Die Absatzhöhe deiner Schuhe bestimmt die exakte Hosen- oder Rocklänge. Ein formender Body oder ein bestimmter BH verändert deine Silhouette und damit die Passform eines Oberteils oder Kleides. Trage zum Abstecktermin immer exakt die Schuhe und die Unterwäsche, die du auch später zum fertigen Kleidungsstück tragen wirst.

3. Unwissen über die Grenzen des Machbaren: Nicht jede Änderung ist sinnvoll oder möglich. Eine häufige Frustration entsteht, wenn Kundinnen eine Änderung wünschen, die die Grundstruktur des Kleidungsstücks sprengen würde, wie zum Beispiel die massive Verkleinerung der Schulterpartie eines Blazers. Das ist eine der komplexesten und teuersten Änderungen. Finde eine gute Schneiderei, indem du nach Empfehlungen fragst und bei einem kleinen Auftrag (z. B. Hose kürzen) die Qualität testest. Eine gute Fachkraft wird dir ehrlich sagen, was möglich ist und was nicht. Höre auf diesen Rat – er spart dir Geld und Enttäuschungen.

Indem du lernst, präzise zu formulieren und die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, verwandelst du den Besuch in der Schneiderei von einem Glücksspiel in einen zielgerichteten Prozess mit garantiertem Erfolg.

Wie du beim Kauf bereits auf änderungsfreundliche Details achtest?

Der strategische Ansatz zur perfekten Garderobe beginnt nicht in der Schneiderei, sondern bereits in der Umkleidekabine. Anstatt ein Kleidungsstück nur danach zu beurteilen, wie es „von der Stange“ passt, solltest du lernen, sein Änderungspotenzial zu bewerten. Ein geschultes Auge erkennt sofort, ob eine unvorteilhafte Passform leicht zu beheben ist oder ob es sich um ein strukturelles Problem handelt. Kaufe Kleidung immer in der Größe, die an der weitesten Stelle deines Körpers passt (z. B. Hüfte bei Hosen, Schultern bei Blazern). Kleinere Bereiche enger zu machen ist fast immer einfacher, als Stoff herbeizuzaubern.

Achte gezielt auf änderungsfreundliche Merkmale. Das wichtigste Indiz ist die Nahtzugabe – der Stoff, der innen an den Nähten verborgen ist. Halte das Kleidungsstück gegen das Licht. Wenn du eine großzügige Nahtzugabe von 1,5 cm oder mehr siehst, ist das ein hervorragendes Zeichen. Es bedeutet, das Kleidungsstück kann bei Bedarf problemlos um eine halbe bis ganze Größe geweitet werden. Einfache, gerade Seitennähte bei Kleidern, Röcken und Hosen sind ideal für Anpassungen. Zweiteilige Ärmel (mit einer vorderen und einer hinteren Naht) bei Blazern und Mänteln bieten mehr Spielraum für Anpassungen als einteilige Ärmel.

Um diesen Prozess zu systematisieren, kannst du in der Umkleidekabine eine schnelle Überprüfung durchführen. Sie hilft dir, in wenigen Minuten eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Dein 2-Minuten-Check für Änderungspotenzial

  1. Nahtzugabe prüfen: Halte die Hauptnähte (Seiten, Hosenbeine) gegen das Licht. Siehst du mindestens 1,5 cm Stoff innen? Das ist dein Spielraum für spätere Weitenanpassungen.
  2. Grundpassform an der breitesten Stelle: Passt das Stück an deiner „Problemzone“ (z. B. breite Schultern, kräftige Oberschenkel)? Wenn ja, ist der Rest meist einfach anzupassen.
  3. Struktur der Nähte und Details: Sind die Nähte gerade und einfach zugänglich? Vermeide Stücke mit aufgesetzten Taschen oder Reißverschlüssen direkt auf den Nähten, die du ändern lassen möchtest.
  4. Ärmelkonstruktion analysieren: Hat der Blazer zweiteilige Ärmel? Perfekt. Bei einteiligen Ärmeln sind Weitenänderungen deutlich komplexer und teurer.
  5. Materialqualität bewerten: Fühlt sich der Stoff wertig an und hat er einen schönen Fall? Nur bei guter Substanz lohnt sich die Investition in eine Änderung.

Denn unsere Kleidung ist für UNS gemacht – sie soll sich uns und unseren Proportionen anpassen. Nicht umgekehrt.

– SG-Stilberatung, Blog über Kleidungsanpassungen

Wie du deinen Figurtyp in 10 Minuten korrekt bestimmst ohne frustrierende Vergleiche?

Die typischen Ratschläge zur Bestimmung des Figurtyps mit Vergleichen zu Früchten (Apfel, Birne) oder Buchstaben (A, H, X) sind oft mehr frustrierend als hilfreich. Diese groben Kategorien werden der Einzigartigkeit deines Körpers selten gerecht. Ein weitaus präziserer und wertfreierer Ansatz ist, sich auf objektive Maße und Proportionen zu konzentrieren. Du brauchst dafür nur ein Maßband und 10 Minuten Zeit.

Stell dich in Unterwäsche vor einen Spiegel und miss die drei entscheidenden Umfänge: Schultern, Taille und Hüfte.

  1. Schultern: Miss locker über den weitesten Punkt deiner Schulterpartie.
  2. Taille: Finde die schmalste Stelle deines Oberkörpers, meist knapp über dem Bauchnabel. Das exakte Messen der Taille ist grundlegend, um die richtige Schnittführung zu finden. Ziehe das Maßband nicht zu fest.
  3. Hüfte: Miss an der weitesten Stelle deines Gesäßes und deiner Hüften.

Schreibe diese drei Maße auf. Nun geht es nicht darum, dich in eine Schublade zu stecken, sondern darum, deine Proportionen zu verstehen. Sind deine Schultern und Hüften ungefähr gleich breit und deine Taille deutlich schmaler? Dann hast du eine X-Proportion. Sind deine Hüften breiter als deine Schultern? Das deutet auf eine A-Proportion hin. Sind alle drei Maße relativ nah beieinander? Dann hast du eine gerade H-Proportion. Diese objektive Betrachtung ist die Basis, um Schnitte zu finden, die deine Silhouette harmonisieren, anstatt vergeblich einem Ideal nachzujagen.

Ergänze dies durch die Messung deiner vertikalen Proportionen: Ist dein Oberkörper im Verhältnis zu deinen Beinen eher lang oder kurz? Diese Information ist entscheidend für die Wahl der richtigen Hosen- und Rocktaillenhöhe (z. B. High-Waist bei langen Oberkörpern). So verlässt du die Welt der frustrierenden Vergleiche und betrittst die der strategischen Passform-Optimierung.

Wie du in 7 Schritten prüfst, ob ein Blazer perfekt sitzt oder Änderungen braucht?

Ein Blazer ist ein Schlüsselstück jeder Garderobe, aber auch eines der am schwierigsten passend zu findenden. Seine strukturierte Form verzeiht kaum Passformfehler. Die wichtigste Regel lautet: Die Schulterpartie muss sitzen. Die Naht, wo der Ärmel ansetzt, sollte exakt auf dem äußeren Punkt deines Schulterknochens enden. Eine Änderung der Schulterbreite ist eine der aufwendigsten und teuersten Anpassungen. Wenn der Blazer hier nicht passt, lass ihn hängen.

Wenn die Schultern stimmen, kannst du den Rest mit einem einfachen Bewegungstest überprüfen. Dieser Test verrät dir sofort, wo das Jackett zwickt, spannt oder zu viel Stoff hat.

  • Schulter-Check: Die Schulternaht muss genau auf dem Schulterknochen enden. Nicht darüber hinaus und nicht davor.
  • Knopf-Test: Schließe den obersten Knopf (bei einem 2-Knopf-Blazer). Es sollte kein X aus Falten entstehen, das signalisiert, dass der Blazer zu eng ist. Du solltest bequem eine flache Hand darunter schieben können.
  • Ärmellängen-Test: Lass deine Arme locker hängen. Die Ärmel sollten am Handgelenksknöchel enden und etwa 1-2 cm der Hemd- oder Blusenmanschette sichtbar lassen.
  • Umarmungs-Test: Strecke deine Arme nach vorne, als ob du jemanden umarmen möchtest. Der Stoff am Rücken sollte spannen, aber deine Bewegung nicht einschränken.
  • Hinsetz-Test: Setze dich auf einen Stuhl. Der Blazer sollte nicht nach oben rutschen oder am Rücken unschöne Falten werfen.
  • Arme-hoch-Test: Hebe deine Arme über den Kopf. Der gesamte Blazer sollte sich nur minimal anheben und nicht bis unter die Brust rutschen.
  • Kragen-Check: Der Kragen sollte glatt am Nacken anliegen, ohne eine Lücke zu bilden.

Kleinere Anpassungen wie das Einnehmen der Taille oder das Kürzen der Ärmel sind für eine gute Schneiderin Routine. Aber wenn die Grundstruktur – insbesondere die Schulterpartie – nicht stimmt, ist es besser, weiterzusuchen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Dein Körper ist nicht das Problem, sondern die standardisierte Industrie-Norm. Akzeptiere keine Kompromisse bei der Passform.
  • Entwickle einen strategischen Blick beim Einkaufen: Bewerte Kleidung nach Qualität und ihrem „Änderungspotenzial“, nicht nur danach, wie sie von der Stange passt.
  • Präzise Kommunikation ist alles: Werde zur kompetenten Auftraggeberin für deine Schneiderei, indem du spezifische Anweisungen gibst und die richtigen Rahmenbedingungen schaffst.

Wie du die Schnitte findest, die deine individuelle Figur optimal zur Geltung bringen

Nachdem du deine Proportionen objektiv analysiert hast, kannst du dieses Wissen nutzen, um gezielt nach Schnitten zu suchen, die deine Silhouette harmonisieren und deine Vorzüge betonen. Es geht nicht darum, etwas zu kaschieren, sondern darum, eine optische Balance zu schaffen. Eine Statista-Erhebung zeigt, dass die häufigsten Konfektionsgrößen bei Frauen in Deutschland zwischen 38 und 44 liegen. Das verdeutlicht, dass die „Norm“ ein breites Spektrum umfasst, innerhalb dessen unzählige individuelle Körperformen existieren.

Hier sind einige grundlegende Prinzipien der Schnittführung, die auf deinen gemessenen Proportionen aufbauen:

  • Bei breiteren Hüften als Schultern (A-Proportion): Das Ziel ist, die Schulterpartie optisch zu betonen, um eine Balance zur Hüfte zu schaffen. Ideal sind Oberteile mit U-Boot- oder Carmen-Ausschnitten, Blazer mit leichten Schulterpolstern und dunkle, schlichte Hosen oder Röcke in A-Linie.
  • Bei breiteren Schultern als Hüften (V-Proportion): Hier schaffst du Balance, indem du das Volumen im unteren Körperbereich erhöhst. Wähle Hosen mit weitem Bein (Marlene, Palazzo), ausgestellte Röcke und schlichte, fließende Oberteile ohne Schulterbetonung.
  • Bei ungefähr gleichen Maßen (H-Proportion): Dein Ziel kann es sein, eine Taille zu kreieren. Das gelingt mit taillierten Blazern, Gürteln und Wickelkleidern. Schößchen an Oberteilen oder Jacken können ebenfalls eine kurvigere Silhouette zaubern.
  • Bei einer ausgeprägten Taille (X-Proportion): Betone deine schmalste Stelle! Taillierte Schnitte, Gürtel und High-Waist-Hosen sind deine besten Freunde. Vermeide kastige, gerade Schnitte, die deine Taille verbergen.

Diese Prinzipien sind keine starren Regeln, sondern ein Kompass. Der wichtigste Faktor bist du selbst und worin du dich wohlfühlst. Nutze diese Richtlinien als Ausgangspunkt, um zu experimentieren. Probiere auch Schnitte an, die vermeintlich nicht zu deinem „Typ“ passen. Oft sind es kleine Details – die genaue Höhe der Taille, die Weite des Beins, die Länge des Saums – die den Unterschied machen. Und genau hier kommt wieder die Änderungsschneiderei ins Spiel, um diese Details perfekt auf dich abzustimmen.

Beginne noch heute damit, deine Garderobe nicht als eine Reihe von Kompromissen, sondern als eine Sammlung von Potenzialen zu betrachten. Der erste Schritt zur perfekten Passform beginnt bei deinem nächsten Einkauf und dem bewussten Blick auf Schnitt, Qualität und Änderungspotenzial.

Häufige Fragen zum Thema Kleidung ändern lassen

Was bedeutet ‚Abnäher‘ in der Schneiderei?

Ein Abnäher ist eine keilförmige Falte, die in ein Kleidungsstück genäht wird, um es an die dreidimensionalen Formen des Körpers anzupassen. Sie sind entscheidend, um beispielsweise einem Oberteil an der Brust oder einer Hose am Gesäß die richtige Form zu geben und unschöne Beulen zu vermeiden.

Was versteht man unter ‚versäubern‘?

Versäubern ist ein wichtiger Arbeitsschritt in der Schneiderei, bei dem die Schnittkanten von Stoffen mit einer speziellen Naht (z. B. Zickzack- oder Overlockstich) eingefasst werden. Dies verhindert, dass der Stoff ausfranst und sorgt für eine saubere, langlebige Verarbeitung im Inneren des Kleidungsstücks.

Warum sind die richtigen Schuhe beim Abstecktermin wichtig?

Die Höhe deiner Schuhe hat einen direkten und erheblichen Einfluss auf die korrekte Länge von Hosen, Röcken und Kleidern. Schon wenige Zentimeter Unterschied in der Absatzhöhe können darüber entscheiden, ob eine Hose perfekt fällt oder unschön auf dem Boden schleift. Trage daher immer exakt die Schuhe zum Abstecken, die du auch zum fertigen Kleidungsstück kombinieren wirst.

Geschrieben von Anna Schneider, Anna Schneider ist Figurberaterin und Maßschneidermeisterin mit 22 Jahren Berufserfahrung. Sie absolvierte ihre Ausbildung zur Maßschneiderin und machte 2008 ihren Meisterabschluss. In ihrer Münchner Schneiderwerkstatt berät sie Kundinnen zu figurgerechten Schnitten und fertigt maßgeschneiderte Kleidung sowie Passform-Anpassungen.