
Bewusster Modekonsum ist kein Trend, sondern ein tiefgreifender Akt der Solidarität, der die unsichtbaren Menschen hinter unserer Kleidung sichtbar macht.
- Die globalen Lieferketten sind oft von Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen geprägt, selbst bei Labels wie „Made in Europe“.
- Als Konsument in Deutschland haben Sie durch gezielte Einkäufe, aber vor allem durch Ihre Stimme als Bürger, eine enorme Macht, um Unternehmen und Politik zum Handeln zu zwingen.
Empfehlung: Beschränken Sie sich nicht auf den Kauf „besserer“ Produkte. Werden Sie aktiv, indem Sie Marken direkt konfrontieren und politische Initiativen wie die Kampagne für Saubere Kleidung unterstützen.
Jeden Morgen stehen wir vor dem Kleiderschrank und treffen eine Wahl. Ein Griff zum blauen Pullover, zur bequemen Jeans. Selten fragen wir uns: Wer hat dieses Stück Stoff gefärbt, genäht, verpackt? Welches Gesicht, welche Geschichte, welches Schicksal verbirgt sich hinter dem Etikett? Wir sind von Nachrichten über eingestürzte Fabriken in Bangladesch oder Kinderarbeit auf Baumwollfeldern betroffen, fühlen uns aber oft ohnmächtig angesichts eines scheinbar undurchdringlichen Systems. Die üblichen Ratschläge – „weniger kaufen“, „auf Siegel achten“ – klingen vertraut, aber sie kratzen nur an der Oberfläche eines globalen Dramas.
Doch was, wenn die wahre Veränderung nicht allein im Verzicht oder in der Suche nach dem richtigen Zertifikat liegt? Was, wenn der wirksamste Hebel darin besteht, unsere Perspektive radikal zu ändern? Es geht darum, die Anonymität zu durchbrechen und anzuerkennen, dass jedes Kleidungsstück eine direkte Verbindung zu einem anderen Menschen darstellt. Dieser Artikel ist kein gewöhnlicher Ratgeber. Er ist eine Reise hinter die Kulissen, ein Appell an unsere Mitmenschlichkeit. Er zeigt Ihnen nicht nur, wie Sie ethischer konsumieren, sondern wie Sie zu einer Stimme für diejenigen werden, die keine haben. Wir werden die dunklen Stationen der Lieferkette beleuchten, die wahren Kämpfer für Fairness kennenlernen und entdecken, welche konkrete Macht Sie – hier in Deutschland – in Ihren Händen halten.
Dieser Leitfaden ist in mehrere Abschnitte gegliedert, um Ihnen einen umfassenden Einblick in die menschliche Dimension der Mode zu geben. Von der Analyse der Lieferketten bis hin zu konkreten Handlungsschritten in Deutschland begleitet er Sie auf dem Weg zu einem wirklich bewussten Umgang mit Kleidung.
Sommaire : Ein umfassender Guide für einen bewussten Kleiderschrank
- Vom Baumwollfeld bis zum Kleiderbügel: Die dunklen Stationen einer globalen Lieferkette
- Wer kontrolliert die Kontrolleure? Wie Organisationen wie die Fair Wear Foundation für Fairness kämpfen
- Fair einkaufen in Deutschland: Diese Marken und Shops leben Ethik wirklich
- Warum „Made in Europe“ wieder zählt: Die Vorteile von Kleidung aus der Region
- Mehr als nur Ihr Geldbeutel: Wie Sie mit Ihrer Stimme für faire Mode kämpfen können
- Fair oder Bio? Der wichtige Unterschied zwischen ethischer und nachhaltiger Mode
- Der typische Anfängerfehler bei Vinted & Co.: So schützen Sie sich vor Enttäuschungen
- Nachhaltige Mode ist mehr als Bio-Baumwolle: Ein umfassender Guide für einen bewussten Kleiderschrank
Vom Baumwollfeld bis zum Kleiderbügel: Die dunklen Stationen einer globalen Lieferkette
Die Reise eines T-Shirts ist lang und oft von Leid gezeichnet. Sie beginnt auf einem Baumwollfeld, möglicherweise in Indien oder Usbekistan, wo Arbeiter unter prekären Bedingungen schuften. Von dort geht es in die Spinnereien und Färbereien, wo giftige Chemikalien ohne ausreichenden Schutz eingesetzt werden und das Wasser ganzer Regionen vergiften. Die zugeschnittenen Stoffteile landen schließlich in den Nähfabriken, den Epizentren der Ausbeutung. Hier nähen Frauen, oft 12 bis 14 Stunden am Tag, für einen Lohn, der nicht zum Leben reicht. Ihre menschliche Würde wird dem Diktat der schnelllebigen Trends und dem Preisdruck der westlichen Konzerne geopfert.
Diese unsichtbare Kette des Leids wird durch eine Industrie angetrieben, deren ökologischer Fußabdruck gigantisch ist. Allein die Modebranche ist für rund 10 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Doch die sozialen Kosten sind noch verheerender. Das 2021 in Deutschland verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist ein erster, wichtiger Schritt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Wie eine Analyse zum deutschen Lieferkettengesetz für die Textilindustrie zeigt, verpflichtet es große Unternehmen ab 2023, Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu überwachen. Doch die Realität ist komplex. Selbst Labels wie „Made in Europe“ sind keine Garantie für Fairness, da auch in osteuropäischen Fabriken teils Hungerlöhne gezahlt und Arbeitsrechte missachtet werden.
Das System ist darauf ausgelegt, die Verantwortlichkeiten zu verschleiern und die Menschen hinter den Produkten unsichtbar zu machen. Es liegt an uns, genau hinzusehen und die wahren Kosten unserer Kleidung zu erkennen. Jedes billige Shirt hat einen hohen Preis – er wird nur von jemand anderem bezahlt.
Wer kontrolliert die Kontrolleure? Wie Organisationen wie die Fair Wear Foundation für Fairness kämpfen
Angesichts der massiven Missstände stellt sich die Frage: Wer sorgt eigentlich für die Einhaltung von Standards? Es gibt eine wachsende Zahl von Organisationen und Zertifizierungen, die Transparenz und Fairness versprechen. Die Fair Wear Foundation, das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) oder das Fairtrade-Siegel für Baumwolle sind die bekanntesten Akteure. Sie setzen sich für existenzsichernde Löhne, sichere Arbeitsplätze und das Recht auf gewerkschaftliche Organisation ein. Marken, die Mitglied werden, verpflichten sich, ihre Lieferketten offenzulegen und sich externen Kontrollen zu unterwerfen.
Diese Siegel sind wichtige Werkzeuge für bewusste Verbraucher. Sie bieten eine Orientierung in einem unübersichtlichen Markt und machen die Bemühungen von Unternehmen sichtbar. Doch die Realität zeigt, dass freiwillige Selbstverpflichtungen allein nicht ausreichen. Eine schockierende Analyse des NAP-Monitorings der Bundesregierung, durchgeführt von der Frauenrechtsorganisation FEMNET e.V., enthüllt eine bittere Wahrheit. Laut dieser Analyse kommen nur etwa fünf Prozent der großen deutschen Unternehmen ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in den Lieferketten ausreichend nach. Eine erschreckend niedrige Zahl, die den dringenden Bedarf an strengeren gesetzlichen Regelungen und einer lückenlosen Kontrolle unterstreicht.

Die Arbeit von NGOs und Zertifizierern ist ein unermüdlicher Kampf gegen die Trägheit eines profitorientierten Systems. Sie sind die Detektive und Anwälte der Näherinnen und Färber. Sie zu unterstützen und die von ihnen zertifizierten Marken zu bevorzugen, ist ein konkreter Schritt, um den Druck auf die gesamte Branche zu erhöhen. Es ist die Anerkennung, dass echte Kontrolle von unabhängigen, kritischen Instanzen kommen muss.
Fair einkaufen in Deutschland: Diese Marken und Shops leben Ethik wirklich
Die gute Nachricht ist: Sie müssen nicht lange suchen, um in Deutschland Mode zu finden, die mit gutem Gewissen getragen werden kann. Eine wachsende Bewegung von Marken und Händlern beweist, dass ein anderes Wirtschaften möglich ist. Diese Pioniere setzen auf radikale Transparenz, faire Produktionsbedingungen und oft auch auf nachhaltige Materialien. Sie geben den Menschen hinter ihren Produkten nicht nur ein Gesicht, sondern auch einen fairen Lohn und eine sichere Zukunft. Der Markt für ethische Mode wächst, und das ist auch Ihr Verdienst als bewusste Konsumentin oder bewusster Konsument.
In deutschen Großstädten haben sich zahlreiche Concept Stores etabliert, die eine kuratierte Auswahl an fairer Mode anbieten und so den Einstieg erleichtern. Hier sind einige Leuchttürme der Bewegung:
- Loveco in Berlin: Dieser Shop bietet ausschließlich vegane, faire und ökologische Mode von Marken, die nach strengen Kriterien wie GOTS oder Fair Wear zertifiziert sind.
- Glore in Hamburg: Als einer der Pioniere der Fair-Fashion-Bewegung in Deutschland stellt Glore seit Jahren nachhaltige und ethische Kollektionen zusammen.
- DearGoods in München: Hier liegt der Fokus auf transparenten Lieferketten und der Förderung lokaler Designer, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben.
- Stitch by Stitch: Dieses Social Business integriert geflüchtete Frauen durch die Produktion nachhaltiger Mode aus zertifizierten Bio-Materialien in den Arbeitsmarkt.
Diese Initiativen sind Teil einer größeren Bewegung. Laut dem Bundesumweltministerium decken die Unternehmen im Textilbündnis bereits rund die Hälfte des deutschen Textilmarktes ab. Das „Bündnis für nachhaltige Textilien“ ist eine Multi-Akteurs-Initiative der Bundesregierung, die sich für soziale und ökologische Verbesserungen entlang der gesamten Lieferkette einsetzt. Ihre Entscheidung, bei Marken und Shops zu kaufen, die Teil dieser Bewegung sind, sendet ein klares Signal an die gesamte Branche: Ethik ist kein Nischenthema mehr, sondern eine Marktforderung.
Warum „Made in Europe“ wieder zählt: Die Vorteile von Kleidung aus der Region
Die Entscheidung für Kleidung, die in Europa und insbesondere in Deutschland produziert wird, ist mehr als nur ein Bekenntnis zur lokalen Wirtschaft. Es ist ein aktiver Schritt zur Verkürzung der undurchsichtigen und oft ausbeuterischen globalen Lieferketten. Eine Produktion in der Nähe bedeutet in der Regel strengere Arbeitsgesetze, höhere Sozialstandards und eine bessere Nachverfolgbarkeit der Bedingungen, unter denen unsere Kleidung hergestellt wird. Es gibt den Arbeitern ein Gesicht, das nicht durch Tausende von Kilometern und unzählige Zwischenhändler verschleiert wird.
Darüber hinaus hat die regionale Produktion einen signifikanten ökologischen Vorteil. Der Transport von Textilien rund um den Globus ist ein massiver Treiber des Klimawandels. Ein T-Shirt aus Bangladesch hat einen weitaus größeren CO₂-Fußabdruck als eines aus Portugal oder gar aus Deutschland. Dieser Unterschied entsteht nicht nur durch den Seeweg, sondern auch durch die anschließenden Landtransporte.
Die folgende Tabelle, basierend auf Daten des WWF, verdeutlicht den enormen Unterschied im CO₂-Ausstoß je nach Produktionsort und zeigt, wie groß der Hebel durch die Wahl regionaler Produkte ist. Wie diese vergleichende Analyse der CO2-Bilanz zeigt, sind die Unterschiede erheblich.
| Produktionsort | Transportweg | CO2-Ausstoß pro T-Shirt | Hauptfaktoren |
|---|---|---|---|
| Portugal | LKW nach Deutschland | ~2,5 kg CO2 | Kurze Transportwege, EU-Standards |
| Bangladesch | Schiff + LKW | ~7,2 kg CO2 | Lange Seeroute, zusätzliche Landtransporte |
| Deutschland | Regional | ~1,8 kg CO2 | Minimale Transportwege, hohe Energieeffizienz |

Natürlich ist „Made in Europe“ kein Allheilmittel, wie die Missstände in einigen osteuropäischen Fabriken zeigen. Dennoch reduziert es die Komplexität der Kontrolle und erhöht die Wahrscheinlichkeit für faire Arbeitsbedingungen. Die Wiederbelebung der Textilproduktion in Deutschland und Europa ist ein starkes Zeichen gegen die Entfremdung und Anonymität der Globalisierung und ein Bekenntnis zu Verantwortung und Nähe.
Mehr als nur Ihr Geldbeutel: Wie Sie mit Ihrer Stimme für faire Mode kämpfen können
Ihre größte Macht als Konsumentin liegt nicht nur in dem, was Sie kaufen, sondern in Ihrer Stimme als Bürgerin. Ethischer Konsum ist wichtig, aber er allein wird die systemischen Probleme der Modeindustrie nicht lösen. Echte Veränderung erfordert politischen Druck, unternehmerische Verantwortung und eine laute, fordernde Zivilgesellschaft. Sie sind ein Teil davon. Ihre Empörung über die Missstände kann in konkretes Handeln umgesetzt werden, das weit über Ihren Kleiderschrank hinauswirkt. Es ist an der Zeit, vom passiven Käufer zum aktiven Gestalter zu werden.
Fordern Sie die Marken direkt auf, Verantwortung zu übernehmen. Fragen Sie in den sozialen Medien mit dem Hashtag #whomademyclothes nach der Herkunft Ihrer Kleidung. Jede dieser Anfragen zeigt den Unternehmen, dass die Anonymität nicht länger akzeptiert wird. Unterstützen Sie Organisationen, die sich an vorderster Front für die Rechte der Arbeiterinnen einsetzen. Ihre Spende oder Mitgliedschaft gibt diesen Organisationen das nötige Gewicht für ihre politische Arbeit und ihre Kampagnen.
Der Kampf für faire Mode ist ein Marathon, kein Sprint. Aber jeder Schritt zählt. Jede E-Mail an einen Abgeordneten, jeder kritische Post in den sozialen Medien und jede Unterschrift unter einer Petition ist ein Tropfen, der den Stein höhlt. Es ist der Übergang von der individuellen Kaufentscheidung zur kollektiven Forderung nach systemischer Gerechtigkeit. Hier finden Sie einen konkreten Plan, wie Sie Ihre Stimme wirksam einsetzen können.
Ihr Aktionsplan für echte Veränderung
- Politischen Druck ausüben: Kontaktieren Sie Ihren Bundestagsabgeordneten über Plattformen wie abgeordnetenwatch.de und fordern Sie eine Verschärfung des deutschen Lieferkettengesetzes.
- Marken konfrontieren: Nutzen Sie den Hashtag #whomademyclothes auf den deutschen Social-Media-Kanälen großer Modeketten, um öffentliche Transparenz einzufordern.
- Bewegungen stärken: Unterstützen Sie die „Kampagne für Saubere Kleidung“, die sich direkt für die Rechte der Arbeiterinnen in den Lieferketten einsetzt und ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessert.
- Sichtbarkeit schaffen: Beteiligen Sie sich an Aktionen wie der Fashion Revolution Week, die jedes Jahr im April stattfindet, um das Bewusstsein zu schärfen.
- Forderungen bündeln: Unterschreiben Sie aktuelle Online-Petitionen, die strengere Kontrollen und verbindliche Regeln für die gesamte Textilindustrie fordern.
Fair oder Bio? Der wichtige Unterschied zwischen ethischer und nachhaltiger Mode
In der Diskussion um bewussten Konsum werden die Begriffe „fair“ und „bio“ oft synonym verwendet. Doch sie beschreiben zwei unterschiedliche, wenn auch eng miteinander verbundene, Dimensionen von Verantwortung. Es ist entscheidend, diesen Unterschied zu verstehen, um gezielte Entscheidungen treffen zu können, die sowohl dem Menschen als auch dem Planeten zugutekommen. Ein Kleidungsstück kann das eine sein, ohne das andere zu sein – und im Idealfall ist es beides.
Faire Mode (oder ethische Mode) stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Der Fokus liegt hier auf den sozialen Aspekten der Produktion. Die zentralen Fragen sind: Erhalten die Arbeiterinnen und Arbeiter einen existenzsichernden Lohn? Sind ihre Arbeitsplätze sicher? Dürfen sie sich in Gewerkschaften organisieren? Werden Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette geachtet? Siegel wie das der Fair Wear Foundation konzentrieren sich primär auf diese sozialen Kriterien. Faire Mode kämpft gegen Ausbeutung und für Menschenwürde.
Bio-Mode (oder ökologische Mode) hingegen konzentriert sich auf den Planeten. Hier geht es um die Umweltauswirkungen der Produktion. Die Fragen lauten: Wurde die Baumwolle ohne schädliche Pestizide angebaut? Wurden beim Färben umweltfreundliche Substanzen verwendet? Wie hoch ist der Wasserverbrauch? Siegel wie das EU-Bio-Logo oder der Hinweis auf „Bio-Baumwolle“ (kbA – kontrolliert biologischer Anbau) beziehen sich auf diese ökologischen Standards. Bio-Mode kämpft gegen die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Das Ideal ist die Verbindung beider Welten. Ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle, das unter ausbeuterischen Bedingungen genäht wurde, ist nur die halbe Miete. Umgekehrt ist ein fair produzierter Pullover aus konventioneller, pestizidbelasteter Baumwolle ebenfalls keine ganzheitliche Lösung. Glücklicherweise gibt es Siegel, die beide Aspekte vereinen, allen voran der Global Organic Textile Standard (GOTS), der strenge soziale und ökologische Kriterien für die gesamte Produktionskette vorschreibt.
Der typische Anfängerfehler bei Vinted & Co.: So schützen Sie sich vor Enttäuschungen
Secondhand-Shopping auf Plattformen wie Vinted (früher Kleiderkreisel) ist zu einer tragenden Säule des bewussten Modekonsums in Deutschland geworden. Es ist eine fantastische Möglichkeit, die Lebensdauer von Kleidungsstücken zu verlängern und den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Doch der Kauf von gebrauchter Kleidung ist nicht automatisch frei von Fallstricken. Der typische Anfängerfehler ist die Annahme, dass jeder Kauf unproblematisch und per se nachhaltig ist. Ein genauerer Blick ist notwendig, um Enttäuschungen zu vermeiden und das Potenzial von Secondhand wirklich auszuschöpfen.
Ein häufig übersehener Aspekt ist die Herkunft der Artikel. Ein günstiges Kleidungsstück, das von der anderen Seite Europas versendet wird, hat eine deutlich schlechtere CO₂-Bilanz als ein lokaler Kauf. Wie die Journalistin Rebecca Schäfer in einem Beitrag für WEB.DE kritisch anmerkt, fehlt hier oft die nötige Transparenz. Sie betont:
Secondhand ist grundsätzlich die klimafreundlichere Wahl – keine Frage. Doch echte Nachhaltigkeit endet nicht beim Klick auf ‚Kaufen‘. Viele fordern: Vinted sollte die Möglichkeit bieten, gezielt nach Angeboten aus dem eigenen Land zu filtern – etwa nur Kleidung aus Deutschland anzeigen zu lassen.
– Rebecca Schäfer, WEB.DE Ratgeber
Zusätzlich zur Nachhaltigkeit ist die Sicherheit ein wichtiger Punkt. Um sich vor Betrug oder mangelhafter Ware zu schützen, sollten Sie einige Grundregeln beachten:
- Nutzen Sie den Käuferschutz: Die Gebühr von 70 Cent plus fünf Prozent des Artikelpreises ist eine wichtige Absicherung. Sie garantiert, dass Sie Ihr Geld zurückerhalten, wenn der Artikel nicht ankommt oder erheblich von der Beschreibung abweicht.
- Prüfen Sie genau: Bitten Sie um mehrere Fotos aus verschiedenen Perspektiven und lesen Sie die Beschreibung sorgfältig, um den tatsächlichen Zustand zu bewerten.
- Kommunizieren Sie klar: Stellen Sie alle Fragen vor dem Kauf über die Plattform und wickeln Sie die Zahlung niemals außerhalb des Systems ab.
- Bewertungen prüfen: Das Bewertungssystem ist Ihr wichtigstes Werkzeug, um die Vertrauenswürdigkeit eines Verkäufers einzuschätzen.
Secondhand-Mode ist ein kraftvolles Instrument gegen die Wegwerfkultur. Mit einem kritischen und informierten Ansatz wird es zu einer echten Alternative, die Freude bereitet und den Planeten schont.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Modeindustrie ist für massive Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung verantwortlich; freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen scheitern oft.
- Als Verbraucher in Deutschland haben Sie Zugang zu fairen Marken, transparenten Shops und Gesetzen wie dem Lieferkettengesetz, die als Hebel für Veränderung dienen.
- Wahre Veränderung entsteht durch die Kombination aus bewusstem Konsum (fair, bio, secondhand) und aktivem bürgerschaftlichem Engagement (politischer Druck, Markenkritik).
Nachhaltige Mode ist mehr als Bio-Baumwolle: Ein umfassender Guide für einen bewussten Kleiderschrank
Wir haben die dunklen Ecken der globalen Lieferketten ausgeleuchtet, Kontrollmechanismen hinterfragt und konkrete Wege für faires Einkaufen in Deutschland aufgezeigt. Nun ist es an der Zeit, all diese Fäden zusammenzuführen. Ein bewusster Kleiderschrank entsteht nicht durch eine einzige Entscheidung, sondern durch eine Haltungsänderung. Es ist die Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit weit mehr bedeutet als nur „Bio-Baumwolle“ auf dem Etikett. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, der den Menschen, den Planeten und unser eigenes Konsumverhalten umfasst.
Der erste und vielleicht schwierigste Schritt ist die Konfrontation mit unserem eigenen Verhalten. Wie das Bundesumweltministerium berichtet, kaufen Verbraucher in Deutschland im Schnitt sechzig Kleidungsstücke pro Jahr, von denen jedes fünfte kaum getragen wird. Diese Überproduktion wird direkt von der Fast-Fashion-Industrie befeuert, die uns im Wochentakt neue „Must-haves“ suggeriert. Dieser Spirale zu widerstehen, ist der Kern eines bewussten Umgangs mit Mode.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist das Ende des Lebenszyklus eines Kleidungsstücks. Die Illusion, dass unsere Altkleider einfach zu neuen Textilien recycelt werden, ist leider ein Mythos, der dringend entlarvt werden muss.
Fallbeispiel: Der Mythos der Kreislaufwirtschaft
Wie Greenpeace aufzeigt, stellt die Bekleidungsindustrie weniger als 1 Prozent ihrer Textilien aus recycelten Altfasern her. In Deutschland wird sogar nur ein Prozent der gesammelten Alttextilien im Land selbst wiederverwertet. Ein Großteil, nämlich rund 60 Prozent, wird als Secondhand-Ware exportiert, oft in afrikanische Länder wie Ghana oder Kenia. Dort überschwemmen sie die lokalen Märkte, zerstören die heimische Textilwirtschaft und enden letztlich auf riesigen, unkontrollierten Mülldeponien. Unsere „Spende“ wird so zum Müllproblem für andere.
Ein wirklich nachhaltiger Kleiderschrank basiert auf drei Säulen: weniger und bewusster kaufen, die Lebensdauer durch Pflege und Reparatur maximal verlängern und am Ende eine verantwortungsvolle Entsorgung sicherstellen. Es geht darum, jedem Kleidungsstück wieder den Wert zu geben, den es verdient – als Produkt menschlicher Arbeit und als Ressource unseres Planeten.
Beginnen Sie noch heute damit, Ihre Beziehung zu Kleidung zu verändern. Hinterfragen Sie Ihren nächsten Kauf, reparieren Sie ein geliebtes Teil oder schreiben Sie eine E-Mail an Ihre Lieblingsmarke. Jeder dieser Schritte ist ein Akt der Menschlichkeit und ein Beitrag zu einer gerechteren Modewelt.
Häufige Fragen zu fairer und nachhaltiger Mode
Kann Mode gleichzeitig bio und fair sein?
Ja, das ist das Ideal. Das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) ist das bekannteste Zertifikat, das beide Aspekte vereint. Es schreibt vor, dass mindestens 95 Prozent der Fasern aus kontrolliert biologischem Anbau stammen müssen und setzt gleichzeitig sehr strenge soziale Regeln für den gesamten Herstellungsprozess durch, von fairen Löhnen bis zur Arbeitssicherheit.
Wo finde ich in Deutschland fair und bio zertifizierte Kleidung?
Es wird immer einfacher. Neben spezialisierten Fair-Fashion-Stores in vielen deutschen Städten findet man mittlerweile auch Kleidung mit GOTS-Siegel in bekannten Drogerie- und Supermärkten wie DM, Lidl oder Edeka. Dies zeigt, dass faire und biologische Mode zunehmend im Mainstream ankommt.